in Facebook, Google, Kongresse, next09

Facebook? Jeff Jarvis wäre lieber Google

_T5P1173

Armes Facebook. Da gingen Jeff Jarvis (li.) und Umair Haque gestern auf der next09 hart mit Facebook ins Gericht, und niemand war da, der sich wehren konnte. Javier Olivan, der bei Facebook die internationalen Geschäfte leitet, die Strategie entwickelt und die Internationalisierung von Facebook in Europa und weltweit verantwortet, hatte seine Teilnahme so kurzfristig abgesagt, dass sein Name noch im gedruckten Programmheft stand.

andreas_van_de_castel.jpgEs wäre sicher spannend zu hören gewesen, was er oder auch andere Facebook-Manager auf die Einschätzungen von Jeff und Umair entgegnet hätten. Zwar war der Mitarbeiter Nr. 1 von Facebook in Deutschland und Ex-StudiVZ-ler Andreas van de Castel (re.) auf der next09, seines Zeichens Country Manager Marketing Germany und für FAZ-Mann Holger Schmidt „die Überraschung des Tages“. Jedoch konnte er aus verständlichen Gründen (noch) nicht sprechen – zu frisch im Job.

Es gibt mehrere Arten, Kritik zu verpacken. Umair Haque, Direktor des Havas Media Lab, hat auf der Next09-Konferenz den verbalen Vorschlaghammer gewählt. „Wäre ich Facebook, würde ich mich vermutlich umbringen“, sagte er auf einer Podiumsdiskussion darüber, wie das Internet etablierte Geschäftsmodelle weiterentwickelt.

Kaum weniger schonend formulierte Jeff Jarvis seine Kritik. „Facebook? Ich wäre lieber Google“, sagte der Betreiber des Blogs Buzzmachine, der als einer der wichtigsten Medien-Vordenker gilt. Google lege zumindest noch eine gewisse Experimentierfreude mit neuen Produkten an den Tag. Facebook dagegen habe seine Chancen nicht genutzt, ein innovatives Geschäftsmodell zu etablieren – und fokussiere sich nun auf den falschen Weg. Mehr noch: Nachdem Facebook zunächst Google in eine „Identitätskrise gestürzt“ habe, leide nun Facebook durch Twitter selbst an eben einer solchen.

Laut Jarvis habe Twitter Facebook in einem zentralen Punkt überrundet: Twitter unterstütze konsequent sogenannte bottom-up-Kommunikation – und das, in Gegensatz zur E-Mail, in Form eines öffentlichen Forums. „Twitter schafft Kommunikationskanäle, über die Nutzer direkt auf Firmen einwirken können“, sagte Jarvis. Facebook dagegen unterstütze hauptsächlich top-down-Kommunikation, es schaffe zusätzliche Kommunikationskanäle für Firmen, die eigenen Botschaften zu platzieren.

Auch Haque kritisierte Facebooks Kommunikationsstruktur. „Die erfolgreichen Geschäftsmodelle der Zukunft werden diejenigen sein, die einen permanenten Rückkanal zum Nutzer etablieren“, sagte der Medienforscher. Nur Firmen, die ihre Strategie an einem permanenten Feedback ihrer Kunden orientieren, könnten letztlich ihre vollen Möglichkeiten ausschöpfen. Kommunikationskanäle wie Twitter seien in diesem Sinne besonders effektive Mess-Werkzeuge.

Spiegel Online: Web-Visionär Jarvis nennt Facebook rückständig

Fotos: nextconference, FAZ